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MMM-Club

Dezember 2020

Prof. Dr. Michael Hüther im Interview

VON Simone Krah

Prof. Dr. Michael Hüther zählt zu den bekanntesten Ökonomen des Landes. Er ist Direktor und Mit­glied des Präsidiums des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Als stellvertretender Vor­sitzender der Atlantik-Brücke setzt er sich zudem dafür ein, die Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Europa und Amerika auf allen Ebenen zu vertiefen. Michael Hüther ist seit 2013 Mitglied des ­MMM-Beirats. Mit MMM-Präsidentin Simone Krah sprach er vor dem Hintergrund der Pandemie und des andauernden Teil-Lockdowns über wirtschaftliche Perspektiven, die Stärke von Familienunternehmen und die Folgen der Präsidentschaftswahlen in den USA.

SIMONE KRAH: Lieber Herr Professor Hüther, die Pandemie hat die Welt weiter fest im Griff. Sie haben frühzeitig vor einem nach­haltigen wirtschaftlichen Schaden durch einen zwei­ten Lockdown gewarnt. Wie sieht Ihre Prognose für die kommenden Monate aus?

MICHAEL HÜTHER: Es hängt kurzfristig entscheidend davon ab, ob die Grenzen und die Schulen offen bleiben. Dann können Industrie, Handwerk und Handel einigermaßen wirtschaften. Derzeit ist vor allem der Sozialkonsum betroffen, neben Restaurants und Hotels der gesamte Kulturbereich und der Sport. Nach unserer Einschätzung führt dies im ­vierten Quartal zu einer Stagnation nach dem starken dritten Vierteljahr. Aufs Gesamtjahr bezogen führt das zu einer Schrumpfung um 5,5 Prozent. Der Jahresanfang 2021 wird mühsam bleiben, im ganzen Jahr erwarten wir ein Wachstum von mindestens 3,5 Prozent.

SIMONE KRAH: Es gib vermeintliche Gewinner der Krise. Der Lebensmittelhandel, Baumärkte, Lieferdienste und der E-Commerce-­Sektor werden häufig genannt. Andere Branchen kämpfen um ihre Existenz. Sie sehen die derzeit verhängten Maßnahmen teils kritisch. Welchen ­Umgang mit der aktuellen Lage hätten Sie favorisiert?

MICHAEL HÜTHER: Kritisch erscheinen mir zwei Aspekte: Einerseits hätte viel zielgenauer eingegriffen werden können. Hotels und Restaurants mit überzeugenden Hygienekonzepten hätte man ebenso offen lassen können wie Museen und Theater. Grundsätzlich können wir in Organisationen und definierten Strukturen verlässlicher und transparenter auf das Virus reagieren als im privaten Bereich. Andererseits verbindet sich mit dem zweiten Lockdown keine Perspektive für die nächsten Monate. Wir kennen als Antwort nur Verbote und wir setzen zu wenig auf Befähigung. Dazu gehören u.a. besondere Lösungen für vulnerable Gruppen, eine Ertüchtigung der WarnApp, umfassender Ein­satz von Schnelltests. Ärgerlich sind die politischen Versäumnisse der letzten Monate wie bei der Digitalisierung der Gesundheitsämter und der Ertüchtigung der Schulen.

SIMONE KRAH: Herz und Seele des MMM-Clubs sind erfolgreiche ­Familienunternehmen. Eine hohe Flexibilität, generationenüber­greifendes Wirtschaften sowie eine solide Eigenkapitalbasis gehören in der Regel zu deren Stärken. Wird dieser nachhaltige Ansatz gelebten Unternehmertums künftig noch stärker an Bedeutung gewinnen?

MICHAEL HÜTHER: Unternehmerische Verantwortung wird in modernen Marktwirtschaften immer breiter verstanden. Die zentrale Ergebnisverantwortung wird durch Verantwortung für die eigene Reputation und durch Mitverantwortung im öffentlichen Raum erst nachhaltig. Die Bindung an den Standort ergibt sich natürlich in besonderer Weise durch Familienunternehmen mit einer generationenübergreifenden Perspektive. Allerdings ist das kein Selbstläufer, vielmehr müssen daraus glaubwürdig intern wie im Markt Kultur und Werte deutlich werden.

„Die neue US-Adminis­tration ist eine Chance,
wenn wir konsequent unseren Beitrag leisten“

SIMONE KRAH: Werfen wir noch einen Blick auf das internationale Parkett. ­Deutschland hat bis Ende des Jahres die EU-­Rats­präsident­schaft inne. Wie hat sich die EU im Zuge der Corona-Krise geschlagen?

MICHAEL HÜTHER: Der Beginn mit den ersten Grenzschließungen seit sieben Jahrzehnten war katastrophal, dann aber hat die EU bereits im April mit dem ersten Stützungspaket von 540 Mrd. Euro (für die Gesundheitssysteme, die Unternehmen und die Beschäftigten) erstaunlich schnell und mutig die Kurve gekriegt. Noch mutiger war der Konsens zum „Next Generation EU“ Fonds, denn damit verbindet sich die Chance zu einer Investitionsunion, die konsequent und angemessen – über Gemeinschaftsanleihen – finanziert das Wachstum in ­Europa stärkt.

SIMONE KRAH: In den USA ist mit Joe Biden ein neuer Präsident gewählt worden, der mit Blick auf die innenpolitische Lage wie auch auf die internationalen Beziehungen das Verbindende statt das Trennende betont. Ist die neue US-Administration eine Chance für Deutschland und Europa?

MICHAEL HÜTHER: Ja, aber nur wenn wir unseren Beitrag konsequent leisten: Für die Wiederbelebung der internationalen Handelsordnung, für die Neuaufstellung der Weltgesundheitsorganisation, für die globale Sicherheitsstruktur. Das fordert souveräne Anstrengungen, die manchen nicht gefallen werden, die schlicht auf die Wiederkehr einer untergegangenen transatlantischen Gemeinsamkeit hoffen. Aber souverän ist, wer für seine Sicherheit selbst sorgt, mutig Position für Freihandel bezieht und die Auseinandersetzung mit Diktaturen wie China nicht scheut.

SIMONE KRAH: „mut:macher“ ist der Titel des 59. MMM-Kongresses 2021, bei dem Sie als MMM-Beirat wieder aktiv mit dabei sein. Gibt es Entwicklungen, die Ihnen derzeit auch Mut machen?

MICHAEL HÜTHER: Viele versuchen nicht nur irgendwie durchzukommen, sondern neuen Schwung zu gewinnen. Auch wenn wir uns eine solche Krise nicht wünschen sollten – wie manches Feuilleton frei nach dem Motto „never waste a good crisis“ insinuiert – , so lehrt sie doch Lektionen. Daraus Chancen abzuleiten, ist das ersichtliche Bestreben vieler Unternehmerinnen und Unternehmer. Das macht Mut.

SIMONE KRAH: Herr Professor Hüther, wir danken für das Gespräch. 

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